Artikel: Bitumen im Brunnen
Dieser Artikel ist in der Zeitschrift „gefährliche ladung“ 12/2007 erschienen.
Bitumen im Brunnen
UMWELTSCHADENSMANAGEMENT
Die Abwicklung von Tankwagenunfällen erfordert rechtlichen und technischen Sachverstand. Ein Seminar der Deutschen Verkehrsakademie zeigt Lösungen und gibt Praxistipps. VON ANDREA KAESER
Technische Defekte, Schwallwirkung, hohes Straßenbankett oder Kollision: Tankwagenunfälle können vielerlei Ursachen haben – und verheerende Folgen. Die Schäden für die Umwelt standen im Fokus eines Seminars der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft in Goslar. Als Referenten hatte der Veranstalter zwei ausgewiesene Experten und Praktiker engagiert: den Juristen Hans-Josef Schwab von der R+V Allgemeine Versicherung/Kravag sowie Ulrich Borchardt, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Während Borchardt sich mit der technischen Seite der Schadensbegutachtung und -sanierung befasst, arbeitet Schwab Großschäden rechtlich auf.
Juristische Verantwortlichkeit
Als Anspruchsgrundlagen kommen bei Tankwagenunfällen insbesondere die zivilrechtlichen Vorschriften § 7 Abs. I Straßenverkehrsgesetz, § 823 Bürgerliches Gesetzbuch und § 22 II Wasserhaushaltsgesetz (Anlagenhaftung für Tankauflieger und Fässer), aber auch öffentlichrechtliche Regelungen wie das Bundesbodenschutzgesetz und das neue Umweltschadensgesetz in Betracht (siehe gela 8/2007)
Betroffene Unternehmen bzw. deren Versicherung müssen jedoch nicht unbedingt sämtliche entstehenden Schadensminderungs- oder -beseitigungskosten tragen. Vergrößern zum Beispiel die von Einsatzkräften getroffenen Maßnahmen den Schaden, anstatt ihn zu beheben, kann die Kraftfahrhaftpflichtversicherung möglicherweise Regress nehmen. „So etwas kann passieren, wenn zum Beispiel das Produkt in einen nicht gereinigten Saugwagen umgepumpt wird, eine Ölsperre mangelhaft ist oder Verkehrsflächen unsachgemäß gereinigt werden“, erläutert Schwab. Zusätzlicher Schaden entstehe bisweilen auch dadurch, dass eine Feuerwehr das ausgebrachte Schaummittel anschließend in die Kanalisation spüle, anstatt es abzupumpen oder abzusaugen.
Sanierungstechniken
Wie man es besser macht und welche Maßnahmen wann sinnvoll sind, stellte Ulrich Borchardt im Anschluss dar. Es gebe verschiedene Möglichkeiten, den Schaden für Mensch und Umwelt zu begrenzen: Gewässer absperren und den Regenwasserkanal als Rückstauraum nutzen, Gruben als Sammelbecken für Bitumen ausheben und vieles mehr. „Enorm wichtig ist dabei die Kenntnis örtlicher Gegebenheiten wie etwa der Verlauf der Kanalisation.“ Eile ist geboten: Wenn zum Beispiel Bitumen erst einmal den Weg durch die Kanäle nimmt und womöglich noch in einen Brunnen gelangt, steigen die Kosten enorm.
Kooperation mit Behörden
Bei der Schadensbehebung sollten Unternehmen möglichst früh den Kontakt zu Behörden herstellen. Diese hätten nicht nur nützliche Ortskenntnis und Kontakte zu bieten. „Gemeinsam kann man zielorientierte Lösungen suchen.“ Klare Absprachen, zum Beispiel in Form eines Verwaltungsvertrags, seien besser als ein Bescheid, so Schwab.
Bei der Abwicklung von Sanierung- und Entsorgungssaufträgen spielt auch die Mehrwertsteuerproblematik eine wichtige Rolle. Ist der Versicherungsnehmer vorsteuerabzugsberechtigt, sollte nicht die Behörde den Auftrag erteilen. Besser übernimmt dies das Versicherungsunternehmen, und zwar im Namen und für Rechnung des Versicherungsnehmers. Das verringert den Prüfungs- und Schadensaufwand und birgt Vorteile für alle Beteiligten: Die Behörden ersparen sich ein Vergabeverfahren und müssen finanziell nicht in Vorlage treten. Der Versicherer hat größeren Einfluss auf die Abwicklung sowie finanzielle Vorteile: Ein Skonto kommt in Betracht, zusätzliche Verwaltungskosten der Behörde entfallen und die Schadenssumme reduziert sich um die Mehrwertsteuer.
Umgang mit Medien
Auch bei der Kommunikation mit der Presse riet Schwab zu mehr Offenheit: Eine restriktive Informationspolitik führe unweigerlich zu Spekulationen, die bei dem betroffenen Unternehmen einen großen Imageschaden verursachen können. Besser sei es, die Zusammenarbeit mit den Einsatzkräften zu loben und bewusst positive Meldungen zu erzeugen, zum Beispiel: „Schlimmeres konnte in Absprache mit Behörden verhindert werden“.
www.deutsche-verkehrsakademie.de
gefährliche ladung 12/2007