Ölspuren und Schlauchplatzer
HAFTUNG
Tankwagen bergen Risiken mit weit reichenden und oft überraschenden Folgen. Wie sich Fahrbahn, Produkt und Umwelt nach Unfällen reinigen lassen und wer dafür bezahlt, war Thema eines Seminars. VON HANS-JOSEF SCHWAB
Ass jur. Hans-Josef Schwab, Großschadenregulierer R+V / Kravag, Autor u.a. im Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Himmelreich/ Halm, Wiesbaden.
Schlauch ist nicht gleich Schlauch, soviel stand für die Teilnehmer des vierten Praktikerseminars „Tankfahrzeuge – spezielle Problemstellungen bei besonderen Schäden“ vom Dezember 2008 relativ schnell fest. Das anderthalbtägige Seminar der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft, die auch den jährlichen Verkehrsgerichtstag in Goslar veranstaltet, richtete sich fachübergreifend an Praktiker aus Technik, Sachverständigenwesen, Umweltbehörden, Juristerei und Versicherungen.
Diplom-Ingenieur Ulrich Borchardt,
öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, veranschaulichte anhand von Schadensbildern die teils extremen Folgen geplatzter Schläuche und sensibilisierte für die umweltspezifischen Probleme. Volljurist Hans-Josef Schwab ergänzte die rechtlichen Besonderheiten anhand konkreter Beispiele.
Haftung ohne Verschulden
Erst vor 30 Jahren nahm der Gesetzgeber nach mehreren Schäden an Pipelines eine Gefährdungshaftung für Flüssigkeiten in Rohrleitungen in das Haftpflichtgesetz auf. Das bedeutet, dass der Inhaber einer Anlage für entstehende Schäden unabhängig von einem Verschulden haften muss. Der Bundesgerichtshof (BGH)1 sieht in einem Abgabeschlauch eines Tankwagens eine der Pipeline ähnliche Funktion, wenn auch in viel kleinerer Dimension: eine flexible Rohrleitungsanlage.
Hier liegt die rechtliche Abgrenzung zum fahrzeuginternen Schlauchstück, für das nach der Rechtslage nur bei einem Verschulden gehaftet werden muss. Insoweit konnte der Referent in dem Vortrag auch auf die Ausführungen von Rüdiger Kling zu den wiederkehrenden Prüfpflichten für Schläuche hinweisen (gela 12/2004 und 03/2008)2.
Ölspuren professionell beseitigen
Mit der Ölspurbeseitigung packten die Referenten ein kontrovers diskutiertes und emotional teils hoch belastetes Thema an. Ölspuren werden heutzutage nicht mehr ausschließlich von Feuerwehren, sondern auch von Straßenmeistereien und privaten Anbietern entfernt.
Dipl.-Ing. Ulrich Borchardt zeigte nicht nur die technische Entwicklung der letzten 25 Jahre auf. Er ging auch auf die sich in letzter Zeit verfestigende Einsicht ein, dass mit Blick auf vermeidbare Folgeunfälle und ökologische Risiken sowie insbesondere auf das Umweltschadensgesetz (USchadG) planvoll und nachhaltig sauber gearbeitet werden müsse.
Brandgefahr durch Bindemittel
Die richtige Anwendung des für den Einsatzzweck geeigneten Bindemittels und dessen vollständige Wiederaufnahme ist bei der Reinigung von Ölspuren eine wesentliche Grundvoraussetzung. Anschaulich führte Borchardt dabei auch Versuche an Asphalt-Bohrkernen mit Produkt und Bindemitteln durch. Die Teilnehmer verblüffte, dass Bindemittel die Reaktionsfähigkeit der Oberfläche stark erhöhen (Dochtwirkung) und dadurch die Gasphase über dem ölgesättigten Bindemittel zum Brennen gebracht werden kann. Der unprofessionelle Umgang damit lässt Brandgefahren daher erst entstehen.
Zudem veranschaulichte Borchardt die spezifischen Einsatzmöglichkeiten unterschiedlicher maschineller Nassreinigungsmaschinen. Auf die bereits seit 20 Jahren im Feuerwehrbereich eingesetzte Entwicklung von so genannten Öl-Wasch-und-Saugfahrzeugen (ÖWSF) wies er besonders hin. Bei konsequent richtiger Anwendung der eingesetzten Mittel und/oder Maschinen lassen sich heute mit dem erforderlichen Fachpersonal die Ziele erreichen, wie sie in dem seit Juni 2007 existierenden Merkblatt DWA-M 715 der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. niedergelegt sind – mindestens 80 Prozent Fahrbahngriffigkeit gegenüber dem Ausgangswert. Dabei vermerkte Ass. jur. Hans-Josef Schwab, dass das Merkblatt zwar keine Rechtsnorm sei und somit auch kein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB darstellen könne, jedoch einen ganz wesentlichen Gesichtspunkt dafür biete, was heute Stand der Technik sei.
Feuerwehrkosten in Maßen
Kritisch zeigte der Volljurist auf, dass es bei der Abrechnung von Feuerwehrkosten bundesweit extrem gravierende Unterschiede gibt. Sie existieren heute nicht nur bei den Fahrzeugstunden-, sondern auch bei den Personalkosten, wo es Spannweiten von bis zu 1.000 Prozent gibt. Schwab verfolgt die Entwicklung seit mehr als zehn Jahren und konnte anhand von aktuellen obergerichtlichen Urteilen der letzten drei Jahre belegen, dass die Rechtsprechung die in einzelnen Gemeinden ausufernde Entwicklung nicht zu dulden bereit ist.
Immerhin besitzt der Kfz-Haftpflichtversicherte nach einer Entscheidung des BGH4 auch Versicherungsschutz für Feuerwehrkosten, nämlich dann, wenn bei einer öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme parallel auch ein privatrechtlicher Schadensersatzanspruch besteht. Die Feuerwehr hat jedoch keinen Direktanspruch gegen den Versicherer.
Ersatz von Güterfolgeschäden
komme bei der Kfz-Haftpflichtversicherung darauf an, so Schwab, ob der Schaden „durch den Gebrauch des Fahrzeugs“ entstanden sei. Das Be- und Entladen eines Fahrzeugs zählt zwar noch zum Gebrauch. Interessant wird es aber da, wo es um bloße Vorbereitungshandlungen für das Beladen des Fahrzeugs oder das Befüllen von Empfängertanks geht. Gerade im Tank- und Silotransport führt hier der Fahrer zunehmend auch Tätigkeiten aus, die eigentlich vom Verlader oder Empfänger orzunehmen wären.
Dazu ist derzeit eine Entscheidung des OLG Hamburg beim BGH anhängig. In dem Fall kam es zu einer Verwechslung der Tanks beim Empfänger. Die Produkte wurden dabei mit den Restbeständen vermischt; die so kontaminierten Waren wurden anschließend an der Tankstelle verkauft. Dutzende von Fahrzeugen blieben liegen.
Das OLG sah hier keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fahrzeug oder einer auf das Fahrzeug bezogenen Handlung des Fahrers und lehnte eine Haftung des Kfz-Haftpflichtversicherers ab. Seit der Entscheidung des BGH vom 5. Oktober 20065 besteht die Gewissheit, dass der Frachtführer bei Vermischungsschäden, die nicht auf Leichtfertigkeit oder Vorsatz beruhen, nur den Güterschaden, aber nicht den Güterfolgeschaden zu ersetzen hat.
Leider stehen Transportunternehmer häufig unter Druck und ersetzen den Folgeschaden, obwohl sie dazu rechtlich nicht verpflichtet sind. Die Seminarteilnehmer erhielten einen Überblick der Versicherungsmöglichkeiten, die für den Schutz bei Güterfolgeschaden bestehen.
Dafür bietet sich die bereits vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) als Muster vorgesehene DTV-Güterfolgeschadenklausel im Transportrecht an. Eine weitere Möglichkeit sind die bei einzelnen Verkehrshaftungsversicherern abschließbaren Deckungserweiterungen zur DTV-Verkehrshaftungsversicherung und die speziellen Zusatzdeckungen in der Kfz-Haftpflichtversicherung, wie sie von Spezialversicherern für das Tank- und Silotransportgewerbe angeboten werden. Bei der Fülle möglicher Versicherungen gleicher Art ist die Gefahr einer Doppel- bzw. Mehrfachversicherung nach § 77 VVG auszuschließen.
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1 BGH, in: DAR 1993, 456 oder NJW 1995, 1105
2 Rüdiger Kling, Gefährliche Ladung 12/2004, Seite 32 und 03/2008, Seite 32 ff.
3 RAL-Gütezeichen 899
4 BGH, Urteil vom 20.12.2006, Az. IV ZR 325/05, veröffentlicht u.a. in DAR 2007, 142, gelaweb-Code: 200903311
5 BGH, Urteil vom 05.10.2006, Az. I ZR 240/03, gelaweb-Code: 200903312
Quelle: gefährliche ladung 03/2009