Ölspuren und Schlauchplatzer

HAFTUNG

Tankwagen bergen Risiken mit weit reichenden und oft überra­schenden Folgen. Wie sich Fahrbahn, Produkt und Umwelt nach Unfällen reini­gen lassen und wer dafür bezahlt, war Thema eines Seminars. VON HANS-JOSEF SCHWAB

Auch im autofreien Zermatt (CH) muss Heizöl verteilt werden. Dazu befüllt dieser Händler den 8.500 l-Tank seines Elektro-Tankfahrzeugs. Allerdings wird die fahrzeugseitige Produktförderpumpe über einen Benzinmotor angetrieben.

Ass jur. Hans-Josef Schwab

Ass jur. Hans-Josef Schwab, Großscha­denregulierer R+V / Kravag, Autor u.a. im Handbuch des Fach­anwalts Verkehrs­recht, Himmelreich/ Halm, Wiesbaden.

Schlauch ist nicht gleich Schlauch, soviel stand für die Teilnehmer des vierten Prak­tikerseminars „Tankfahrzeuge – spezielle Problemstellungen bei besonderen Schäden“ vom De­zember 2008 relativ schnell fest. Das anderthalbtägige Seminar der Deutschen Akademie für Ver­kehrswissenschaft, die auch den jährlichen Verkehrsgerichtstag in Goslar veranstaltet, richtete sich fachübergreifend an Praktiker aus Technik, Sachverständigen­wesen, Umweltbehörden, Juriste­rei und Versicherungen.

Diplom-Ingenieur Ulrich Bor­chardt,

öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, ver­anschaulichte anhand von Scha­densbildern die teils extremen Folgen geplatzter Schläuche und sensibilisierte für die umweltspe­zifischen Probleme. Volljurist Hans-Josef Schwab ergänzte die rechtlichen Besonderheiten an­hand konkreter Beispiele.

Haftung ohne Verschulden

Erst vor 30 Jahren nahm der Ge­setzgeber nach mehreren Schä­den an Pipelines eine Gefähr­dungshaftung für Flüssigkeiten in Rohrleitungen in das Haftpflicht­gesetz auf. Das bedeutet, dass der Inhaber einer Anlage für entste­hende Schäden unabhängig von einem Verschulden haften muss. Der Bundesgerichtshof (BGH)1 sieht in einem Abgabeschlauch eines Tankwagens eine der Pipe­line ähnliche Funktion, wenn auch in viel kleinerer Dimension: eine flexible Rohrleitungsanlage.

Hier liegt die rechtliche Ab­grenzung zum fahrzeuginternen Schlauchstück, für das nach der Rechtslage nur bei einem Ver­schulden gehaftet werden muss. Insoweit konnte der Referent in dem Vortrag auch auf die Aus­führungen von Rüdiger Kling zu den wiederkehrenden Prüfpflich­ten für Schläuche hinweisen (gela  12/2004 und 03/2008)2.

Ölspuren professionell beseitigen

Mit der Ölspurbeseitigung pack­ten die Referenten ein kontrovers diskutiertes und emotional teils hoch belastetes Thema an. Öl­spuren werden heutzutage nicht mehr ausschließlich von Feuer­wehren, sondern auch von Stra­ßenmeistereien und privaten An­bietern entfernt.

Dipl.-Ing. Ulrich Borchardt zeigte nicht nur die technische Entwicklung der letzten 25 Jahre auf. Er ging auch auf die sich in letzter Zeit verfestigende Einsicht ein, dass mit Blick auf vermeid­bare Folgeunfälle und ökologi­sche Risiken sowie insbesondere auf das Umweltschadensgesetz (USchadG) planvoll und nachhal­tig sauber gearbeitet werden müsse.

Brandgefahr durch Bindemittel

Die richtige Anwendung des für den Einsatzzweck geeigneten Bindemittels und dessen vollstän­dige Wiederaufnahme ist bei der Reinigung von Ölspuren eine we­sentliche Grundvoraussetzung. Anschaulich führte Borchardt da­bei auch Versuche an Asphalt-Bohrkernen mit Produkt und Bin­demitteln durch. Die Teilnehmer verblüffte, dass Bindemittel die Reaktionsfähigkeit der Oberflä­che stark erhöhen (Dochtwir­kung) und dadurch die Gasphase über dem ölgesättigten Bindemit­tel zum Brennen gebracht werden kann. Der unprofessionelle Um­gang damit lässt Brandgefahren daher erst entstehen.

Zudem veranschaulichte Bor­chardt die spezifischen Einsatz­möglichkeiten unterschiedlicher maschineller Nassreinigungsma­schinen. Auf die bereits seit 20 Jahren im Feuerwehrbereich ein­gesetzte Entwicklung von so ge­nannten Öl-Wasch-und-Saug­fahrzeugen (ÖWSF) wies er be­sonders hin. Bei konsequent richtiger Anwendung der einge­setzten Mittel und/oder Maschi­nen lassen sich heute mit dem er­forderlichen Fachpersonal die Ziele erreichen, wie sie in dem seit Juni 2007 existierenden Merk­blatt DWA-M 715 der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. nieder­gelegt sind – mindestens 80 Pro­zent Fahrbahngriffigkeit gegen­über dem Ausgangswert. Dabei vermerkte Ass. jur. Hans-Josef Schwab, dass das Merkblatt zwar keine Rechtsnorm sei und somit auch kein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB darstellen könne, jedoch einen ganz wesent­lichen Gesichtspunkt dafür biete, was heute Stand der Technik sei.

Feuerwehrkosten in Maßen

Kritisch zeigte der Volljurist auf, dass es bei der Abrechnung von Feuerwehrkosten bundesweit ex­trem gravierende Unterschiede gibt. Sie existieren heute nicht nur bei den Fahrzeugstunden-, sondern auch bei den Personal­kosten, wo es Spannweiten von bis zu 1.000 Prozent gibt. Schwab verfolgt die Entwicklung seit mehr als zehn Jahren und konnte anhand von aktuellen oberge­richtlichen Urteilen der letzten drei Jahre belegen, dass die Rechtsprechung die in einzelnen Gemeinden ausufernde Entwick­lung nicht zu dulden bereit ist.

Immerhin besitzt der Kfz-Haft­pflichtversicherte nach einer Ent­scheidung des BGH4 auch Versi­cherungsschutz für Feuerwehr­kosten, nämlich dann, wenn bei einer öffentlich-rechtlichen Inan­spruchnahme parallel auch ein privatrechtlicher Schadensersatz­anspruch besteht. Die Feuerwehr hat jedoch keinen Direktanspruch gegen den Versicherer.

Ersatz von Güterfolgeschäden

komme bei der Kfz-Haft­pflichtversicherung darauf an, so Schwab, ob der Schaden „durch den Gebrauch des Fahrzeugs“ entstanden sei. Das Be- und Ent­laden eines Fahrzeugs zählt zwar noch zum Gebrauch. Interessant wird es aber da, wo es um bloße Vorbereitungshandlungen für das Beladen des Fahrzeugs oder das Befüllen von Empfängertanks geht. Gerade im Tank- und Silo­transport führt hier der Fahrer zu­nehmend auch Tätigkeiten aus, die eigentlich vom Verlader oder Empfänger orzunehmen wären.

Dazu ist derzeit eine Entschei­dung des OLG Hamburg beim BGH anhängig. In dem Fall kam es zu einer Verwechslung der Tanks beim Empfänger. Die Pro­dukte wurden dabei mit den Restbeständen vermischt; die so kontaminierten Waren wurden anschließend an der Tankstelle verkauft. Dutzende von Fahrzeu­gen blieben liegen.

Das OLG sah hier keinen un­mittelbaren Zusammenhang mit dem Fahrzeug oder einer auf das Fahrzeug bezogenen Handlung des Fahrers und lehnte eine Haf­tung des Kfz-Haftpflichtversiche­rers ab. Seit der Entscheidung des BGH vom 5. Oktober 20065 besteht die Gewissheit, dass der Frachtführer bei Vermischungs­schäden, die nicht auf Leichtfer­tigkeit oder Vorsatz beruhen, nur den Güterschaden, aber nicht den Güterfolgeschaden zu erset­zen hat.

Leider stehen Transportunter­nehmer häufig unter Druck und ersetzen den Folgeschaden, ob­wohl sie dazu rechtlich nicht ver­pflichtet sind. Die Seminarteil­nehmer erhielten einen Überblick der Versicherungsmöglichkeiten, die für den Schutz bei Güterfolge­schaden bestehen.

Dafür bietet sich die bereits vom Gesamtverband der Deut­schen Versicherungswirtschaft (GDV) als Muster vorgesehene DTV-Güterfolgeschadenklausel im Transportrecht an. Eine weitere Möglichkeit sind die bei einzelnen Verkehrshaftungsversicherern ab­schließbaren Deckungserweite­rungen zur DTV-Verkehrshaf­tungsversicherung und die spe­ziellen Zusatzdeckungen in der Kfz-Haftpflichtversicherung, wie sie von Spezialversicherern für das Tank- und Silotransportgewerbe angeboten werden. Bei der Fülle möglicher Versicherungen glei­cher Art ist die Gefahr einer Dop­pel- bzw. Mehrfachversicherung nach § 77 VVG auszuschließen.

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1 BGH, in: DAR 1993, 456 oder NJW 1995, 1105

2 Rüdiger Kling, Gefährliche Ladung 12/2004, Seite 32 und 03/2008, Seite 32 ff.

3 RAL-Gütezeichen 899

4 BGH, Urteil vom 20.12.2006, Az. IV ZR 325/05, veröffentlicht u.a. in DAR 2007, 142, gelaweb-Code: 200903311

5 BGH, Urteil vom 05.10.2006, Az. I ZR 240/03, gelaweb-Code: 200903312

Quelle: gefährliche ladung 03/2009